„Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad, meine Oma ist  ́ne ganz patente Frau.“ Wohl jeder kennt das berühmte Kinderlied über die motoradfahrende Oma, die im Übrigen auch noch über ein Radio im Backenzahn und einen wohl recht praktischen Nachttopf mit Beleuchtung verfügt. Während die Beschreibung der Brille mit Gardinen und des Strumpfband mit Revolver bei den meisten lediglich für ein bisschen Erheiterung sorgt, kommt wohl der ein oder andere Jurist nicht umhin sich zu fragen: Ist die Oma nur schrullig oder gehen ihre Eigenheiten schon so weit, dass sie ihre Geschäfte nicht mehr selbst regeln kann und eine entsprechende Intervention notwendig wird?

Das ABGB kennt schon lange das Institut des sogenannten Sachwalters, der im Falle von Krankheit oder psychischer Beeinträchtigung die Angelegenheiten der betroffenen Person regelt. Seit 1. Juli2018 ist in Österreich das neue Erwachsenenschutzgesetz in Kraft und hat das Sachwalterschaftsrecht novelliert und entscheidend ergänzt. Es gibt ein 4-gliedriges Modell bestehend aus der Vorsorgevollmacht, der gewählter, der gesetzlicher und der gerichtlicher Erwachsenenvertretung. Die eigentliche Stellvertretung soll nach dem Erwachsenenschutzgesetz nur mehr das letzte Mittel sein, davor sind alle vorhandenen Unterstützungsmaßnahmen auszuschöpfen (§ 240 Abs 4 ABGB). Zu Beginn des Modells steht die Vorsorgevollmacht, diese ermöglicht es Betroffenen für die Zukunft zu verfügen, welcher Angehörige ihn etwa im Falle einer Krankheit unterstützen soll, hier muss die Oma aber noch voll handlungsfähig sein. Ist der Betroffene – also in unserem Fall die Oma – nicht mehr in der Lage eine solche Vorsorgevollmacht zu errichten, kann sie aber die Tragweite einer Bevollmächtigung zumindest in Grundzügen verstehen, dann kann sie eine bestimmte Person zu ihrem „gewählten“ Erwachsenenvertreter bestimmen. Das kann entweder das Lieblingsenkelkind sein, aber auch eine befreundete Person oder sogar der Nachbar, wenn er der Oma besonders nahesteht. Ist eine solche Wahl nicht möglich, kommt die gesetzliche Erwachsenenvertretung in Frage. Hier übernehmen die nächsten Angehörigen die Rolle des Vertreters, also etwa die Kinder. Sollte es auch keine Angehörigen geben – oder können diese die Vertretung nicht übernehmen – so ist ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter zu bestellen. Hier entscheidet das Gericht nach eingehender Prüfung, wer die Vertretung übernehmen soll und in welchen Bereichen diese notwendig ist.

Mehr als noch zuvor steht die Selbstbestimmung der Betroffenen im Vordergrund, dass zeigt sich auch darin, dass eine Vertretung nur jene Bereiche geregelt wissen will, in denen es auch wirklich notwendig ist. Konkret bedeutet das: Ist die Oma körperlich fit und macht am Wochenende gerne Ausflüge mit dem Motorrad, dann darf und soll sie das auch jederzeit machen. Wird sie etwas vergesslich oder wunderlich und fängt an für ihre Brille eine Gardine zu stricken oder den Nachttopf auszuleuchten, schafft es aber mit Unterstützung ihrer Kinder und Enkel den Alltag noch gut zu bewältigen, so bedarf es auch in diesem Fall noch keiner Vertretung. Spätestens ab dem Zeitpunkt, indem die Oma beginnt einen Revolver mit sich herum zu tragen, sollte man allerdings darüber nachdenken sich über die gesetzlichen Möglichkeiten, die das Erwachsenenschutzgesetz mit sich gebracht hat, etwas detaillierter zu informieren. Bis dahin sollte man aber die Zeit mit den Großelterngenießen und sich besser den ein oder anderen Trick abschauen um vielleicht selber einmal von den Enkeln als „ganz patente Frau/ patenter Mann“ besungen zu werden.

Cornelia Pascher

Mag.a Cornelia Pascher B.A. ist Universitätsassistentin am Institut für Europäisches und Österreichisches Zivilverfahrensrecht an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Ihre Arbeitsschwerpunkt liegen va im (internationalen) Zivilverfahrensrecht, dem Außerstreitverfahrensrecht und dem Familienrecht. Sie ist Harry Potter Fan der ersten Stunde und bekennende Marvel- Anhängerin.